Harnstoff
Harnstoff ist zunächst einmal eine chemische Substanz, die in riesigen Mengen künstlich hergestellt wird. Die kristalline, weiße Substanz ist geruchslos und ungiftig. Aber sie eignet sich hervorragend für vielfältige Zwecke, z.B. als Dünger, in Salben und Kosmetika oder in Klebemitteln. Harnstoff kommt aber auch im menschlichen Organismus vor: Denn fast immer, wenn im Körper Proteine, also Eiweiße, abgebaut werden, fällt Harnstoff an. Eine erhöhte Harnstoff-Konzentration im Blut kann daher darauf hindeuten, dass die Nieren bzw. genau genommen die Funktionseinheiten (Nephron) mit den Nierenkörperchen (Glomeruli) nicht richtig funktionieren.
Der sehr komplexe, aber auch gut erforschte Harnstoffzyklus, also der Abbau der Proteine, findet fast ausschließlich in der Leber statt. Dabei verschmelzen am Ende zwei Moleküle Ammoniak (die ansonsten giftig wären) mit einem Molekül Kohlenstoffdioxid zu sog. Ornithin - als Abfallprodukt entsteht Harnstoff. Dieser wird ins Blut abgegeben und gelangt so in die Nieren.
Harnstoff im Blut als Blutwert Harnst
Harnstoff ist im Rahmen einer medizinischen Untersuchung als Blutwert von Bedeutung. Der menschliche Körper produziert pro Tag etwa 20 bis 30 Gramm Harnstoff (in der Leber). Dieser gelangt über das Blut bis in die Niere, wo er herausgefiltert und anschließend im Urin ausgeschieden wird (geringe Mengen Harnstoff werden beim Menschen auch über Schweiß und den Darm ausgeschieden). Da mehrere Organe am Harnstoff-Haushalt beteiligt sind, können abweichende Werte auf Funktionsstörungen in einem oder mehrerer dieser Organe hinweisen.
Hier sind einige wichtige Informationen, die der Harnstoff-Blutwert liefern kann:
- Nierenfunktion: Der Harnstoff-Blutwert ist ein Indikator für die Funktionsweise der Nieren. Die Nieren sind für die Filterung des Blutes und die Ausscheidung von Abfallstoffen, einschließlich Harnstoff, verantwortlich. Ein erhöhter Harnstoff-Blutwert kann darauf hinweisen, dass die Nieren nicht ausreichend funktionieren und die Ausscheidung von Harnstoff beeinträchtigt ist.
- Proteinstoffwechsel: Harnstoff ist das Endprodukt des Proteinstoffwechsels im Körper. Wenn der Körper Protein abbaut, wird Ammoniak produziert, das dann in der Leber in weniger toxischen Harnstoff umgewandelt wird. Der Harnstoff wird dann von den Nieren aus dem Blut herausgefiltert. Ein erhöhter Harnstoff-Blutwert kann darauf hinweisen, dass der Proteinstoffwechsel im Körper gestört ist, z.B. bei erhöhtem Proteinabbau (Katabolismus) oder bei einem hohen Proteinkonsum.
- Dehydratation: Ein erhöhter Harnstoff-Blutwert kann auch auf Dehydratation (Flüssigkeitsmangel) hinweisen. Weniger Flüssigkeit im Körper kann dazu führen, dass Harnstoff im Blut konzentrierter ist.
- Leberfunktion: Die Leber ist an der Umwandlung von Ammoniak in Harnstoff beteiligt. Ein erhöhter Harnstoff-Blutwert kann auf Lebererkrankungen hinweisen, die die Umwandlung von Ammoniak beeinträchtigen. (Vergl. dazu: Leberwerte)
Es ist wichtig zu beachten, dass ein erhöhter Harnstoff-Blutwert allein nicht immer auf eine spezifische Erkrankung hinweist. Andere Faktoren wie Ernährung, Flüssigkeitszufuhr und Medikamente können ebenfalls den Harnstoff-Blutwert beeinflussen.
Harnstoff Normalwerte (Tabelle)
Die übliche Maßeinheit für Harnstoff im Blutserum ist mg/dl (Milligramm pro Deziliter). In manchen Laborbefunden wird auch der SI-Wert in µmol/l (Mikromol pro Liter) angegeben. Die Normwerte unterscheiden sich bei Männern und Frauen.
Harnstoff-Normalwerte | |||
Abk. | Beschreibung | Männer | Frauen |
-- | Harnstoff (im Blutserum) | 17 bis 43 mg/dl | 15 bis 40 mg/dl |
Bitte beachten Sie, dass die Normalwerte in Ihrem Laborbefund abweichend sein können. Entscheidend ist immer der Referenzwert des Labors.
Harnstoff als Laborwert relativ unzuverlässig
Die Nieren können jedoch auch bei einer Funktionsstörung immer noch recht zuverlässig Harnstoff abbauen - selbst wenn über 50% der Filterfunktion ausfallen (gomeruläre Filtrationsrate GFR), kann der Harnstoff-Wert noch im Normalbereich liegen.
Daraus ergeben sich einige Schlussfolgerungen:
- Wenn der Harnstoffwert zu hoch ist, könnte eine Schädigung der Niere vorzuliegen.
- Der Harnstoffwert sollte immer mit den anderen Nierenwerte (und gg. weiteren Blutwerten) abgeglichen werden. Dazu gehören Kreatinin, Harnsäure sowie Cystatin C. Ev. ist eine Urinprobe zum Abgleich erforderlich. Nur dann lassen sich realistische Aussagen treffen.
- Vor allem der Nierenwert Cystatin-C, zeigt deutlich zuverlässiger eine Schädigung der Nierenkörperchen (Glomeruli) an.
Harnstoff (im Blutserum) erhöht / zu hoch
Ein erhöhter Harnstoffspiegel im Blut kann ein temporäres Phänomen sein. Wenn die Niere richtig funktioniert, wird das innerhalb weniger Stunden wieder normalisiert. Harnstoff selber ist nicht giftig und führt auch bei nur indirekt zu mittelfristigen Schädigungen.
Ursachen
Ein erhöhter Harnstoffspiegel kann verschieden Ursachen haben, z.B.
- sehr proteinreiche Mahlzeit (z.B. Fisch, Meeresfrüchte, Milch, Käse etc.)
- Nierenerkrankung, z.B. (teilweiser) Nierenausfall, Niereninsiffizienz
- Dehydration (Austrocknung aufgrund von Flüssigkeitsmangel), siehe Blutwert Hämatokrit
- Medikamente
Harnstoff senken durch richtige Ernährung
Da Harnstoff letztlich das Endprodukt der Proteine ist, hat eine hohe Eiweißzufuhr eine hohe Harnstoffkonzentration zu Folge. Insofern ist Harnstoff im Blutserum nur bedingt ein aussagekräftiger Laborwert. Allerdings führen Nierenschäden fasst immer auch zu erhöhten Konzentrationen im Blutserum, und der Grad der Erhöhung erlaubt gewisse Rückschlüsse über die Schwere der Erkrankung. Als ergänzender Diagnose-Parameter ist der Blutwert Harnstoff daher immer noch verbreitet.
Harnstoff (im Blutserum) vermindert / zu niedrig
Wenn zu wenig Harnstoff im Blut gemessen wird, kann das zwei Ursachen haben:
- Entweder funktioniert der Proteinabbau in der Leber nicht richtig (siehe Leberwerte).
- Oder es fallen zu wenig Proteine an, die abgebaut werden müssen. Das kann im Zusammenhang mit einer Mangelernährung (auch Diät) oder während einer Schwangerschaft auftreten.
Beides ist unbedenklich, wenn man die Mangelernährung zügig korrigiert. Für Menschen, die eine Diät machen, heißt das: mehr Proteine essen, z.B. Sojabohnen, Nüsse, Kürbiskerne oder Linsen. Auch Bewegung ist gut.
Auch durch verschiedene Medikamente kann die Harnstoffkonzentration im Blut vermindert sein. Das kann man nur mit der Ärztin oder dem Arzt im direkten Gespräch abklären.
Unterschied zwischen Harnstoff und Harnsäure?
Was ist der Unterschied zwischen Harnsäure und Harnstoff? Beides sind Stoffwechselprodukte, ebenso wie Kreatinin. Jeder dieser Stoffe ist ein Abfallprodukt:
- Harnsäure ist das Abfallprodukt des Purins (Bestandteil von Nukleinsäuren, z.B. DNA)
- Harnstoff ist das Abfallprodukt des Aminosäuren (Proteine, Eiweiß)
- Kreatinin ist Abfallprodukt des Kreatins (Energiespeicher in den Muskeln)
Alle drei sind harnpflichtig, d.h. sie müssen (mit dem Harn) ausgeschieden werden, da es für sie keine weitere Verwendung im Körper gibt.
Entdecker des Harnstoffs: Friedrich Wöhler
Als Entdecker des Harnstoffs gilt der deutsche Chemiker Friedrich Wöhler (1800 - 1882). Die deutsche Bundespost ehrte Wöhler anlässlich seines 100. Todestages im Jahr 1982 mit einer Briefmarke (Quelle):
Friedrich Wöhler gilt als Pionier der organischen Chemie.
Am 22. Februar 1828 gelang es ihm aus dem (anorganischen) Ammoniumcyanat (organischen) Harnstoff herzustellen. Bis dahin glaubte man, dass organische Substanzen ausschließlich von lebenden Organismen generiert werden könnten (Theorie "vis vitalis": für die Erzeugung organische Substanzen bräuchte es "Lebenskraft").
Schon vier Jahre zuvor konnte Wöhler aus Oxalsäure durch Hydrolyse Dicyan synthetisieren. Wegen seiner Entdeckung der Harnstoff-Synthese wurde er zum Professor der Chemie an der Georg-August-Universität in Göttingen ernannt.
Friedrich Wöhler starb am 23. September 1882.
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